
Integrationsprojekt:
„Theaterwerkstatt für Integration“
Forumtheater mit Flüchtlingen und Heimischen
nach der Methode des Theaters der Unterdrückten von Augusto Boal
mit Medienprogramm zur Dokumentation und Kommunikation des Projektes und seiner Teilnehmer*nnen in den Social Media
Einleitung
Die Flüchtlingsfrage ist als Thema in aller Munde und sicherlich auch als neue Realität im Bewusstsein der Menschen. Denn die Integration so zahlreicher hilfebedürftiger Menschen aus anderen Kulturen ist keine gesellschaftliche Aufgabe, die einem konkreten behördlichen Plan folgend gelöst werden kann. Sie ist vielmehr ein ziviler kultureller Prozess, der in sich äußerst komplex und in seinen Wirkungen unvorhersehbar ist. „Multi-Kulti“ ist viel mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Das gesellschaftliche Gefüge kommt zurzeit erheblich unter Druck, und wir müssen handeln und helfen. Die Gesellschaft öffnet sich und sucht sich neu zu ordnen. Jede einzelne Lebenssituation der Ankömmlinge bedarf individueller Integration. Für alle Bewohner dieses Landes entstehen neue Verhältnisse. Die Regierung tut sicherlich ihr Bestes die innere Stabilität des Staates zu wahren, unseren Wohlstand und inneren Frieden zu teilen, aber nicht zu verlieren. Im Leben sind jedoch alle Bürger und Gäste dieses Landes gefragt, wohlwollend dazu beizutragen, dass uns ein guter Übergang in neue harmonische gesellschaftliche Verhältnisse gelingt.
Das Theater soll unseren Blick öffnen und uns einander näher bringen, einander verstehen und wertschätzen lehren.
Wir wollen einen Beitrag leisten, Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Integration der Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern besser zu verstehen, die kulturell bedingten Konflikte und Hemmnisse sichtbar machen und Lösungsmöglichkeiten zu finden.
Dazu wollen wir ein Theater-Projekt nach den Methoden des von Augusto Boal entwickelten Theaters der Unterdrückten initiierenn, das sowohl den Flüchtlingen als auch der einheimischen Bevölkerung helfen soll, die Hemmnisse, die einem harmonischen Miteinander entgegenstehen zu überwinden. Das Theater der Unterdrückten ist eine sozial-therapeutische Theaterkunst, die seit ihrer Entwicklung in den 1970er Jahren weltweit in über siebzig Ländern Verbreitung gefunden hat.
„O mundo encurta, o tempo se dilui:
o ontem vira agora; já está feito.
Tudo muito rapido.
Debater o que se diz e o que se mostra (…)
parece me algo cada vez mais importante.“
(Paulo Freire) [1], [2]
Wir leben in einer Epoche der Schnelllebigkeit, in der die menschlichen Beziehungen in einem enormen Tempo und Komplexität ablaufen. Jeden Tag stoßen wir auf unzählige Konflikte und wissen kaum damit umzugehen.
Das Debattier-Theater, das Theater-Spiel kommt mit der Möglichkeit daher, Strukturen der Lösungsfindung zu schaffen und hilft uns, unsere Zeit und uns selbst besser kennen zu lernen. Es ist eine sozial-therapeutische Theaterkunst, die angesichts alter und neuer Herausforderungen des Alltags die Menschen zum Nachdenken anregt und plötzlich Lösungen für die angesprochenen Probleme aufwirft…
Es gibt kein Rezept, keine Theorie, die uns lehrt, wie Integration gut verläuft, funktioniert. Das Leben wird es uns lehren, denn Integration findet im Leben statt. Darum sollen authentische Lebenserfahrungen der Projekt-TeilnehmerInnen in Szene gesetzt und öffentlich „debattiert“ werden.
Das Projekt 
Über zwölf Monate lang sollen sich Gruppen von Flüchtlingen und Heimischen im Rahmen dieser Methode in Theaterwerkstätten zusammenfinden. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sollten als Forumtheater öffentlich zur Aufführung gebracht werden, so dass sich Flüchtlinge und Heimische die Situation aus der jeweiligen Erfahrung heraus spiegeln können.
Eine Forumtheater-Werkstatt umfasst 10 Begegnungen[3] zu je drei Stunden, in denen jeweils ein Forumstück inszeniert wird. Alles soll ständig für Social Media, ein mögliches wissenschaftliches Interesse sowie einen abschließenden Film dokumentiert werden. Alle Teilnehmer*innen sollen im Internet portraitiert werden, in Interviews ihre Geschichte erzählen können, in Kommunikation mit einander und in die Öffentlichkeit kommen. Dafür soll außer dem Theaterprogramm ein Medienprogramm Inhalt eines parallel laufenden Workshops für Flüchtlinge zur Vermittlung entsprechender Medienkompetenz sein.
Zielgruppen der Werkstatt-Teilnehmer*innen
Theaterprogramm: je 10 -20 jugendliche und erwachsene Flüchtlinge und Heimische, die lernen möchten, sich auszudrücken und etwas durch das Theater zu verändern.[4]
Medienprogramm: 5 – 10 Flüchtlinge, die lernen möchten mit den Medien journalistisch-künstlerisch zu arbeiten.
Was genau ist diese „Theaterwerkstatt“?
Diese Forumtheater-Theaterwerkstatt erarbeitet eine spezielle Methode des sogenannten Theaters der Unterdrückten, das von dem brasilianischen Dramaturgen Augusto Boal entwickelt und als erste lateinamerikanische Theaterform weltweit bekannt geworden ist.
Es handelt sich um eine Methode, die sich an Schauspieler und Laien richtet.
Das Theater der Unterdrückten ist eine ästhetischeMethode, die systematisch Übungen, Spiele und Schauspiel-Techniken nutzt, um die physische und moralische Befreiung („Enthemmung und Entmechanisierung“) der TeilnehmerInnen sowie eine Demokratisierung des Theaters zu bewirken. Es werden dabei auch praktische Bedingungen geschaffen, selbstständig Theater zu schaffen, um damit die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten sowohl im Theater als auch im täglichen Leben und zu erweitern.
Außerdem wird eine direkte und positivierende Kommunikation zwischen der Gruppe der Werkstatt-Teilnehmer*innen und den Zuschauer*innen geschaffen: das sogenannte Forum.
Mit dem Theater der Unterdrückten wird versucht, dem Theater neue Dimensionen zu eröffnen, um es zu einem wirksamen Mittel im Verständnis von individuellen und sozialen Problemen zu machen und Lösungsmöglichkeiten zu finden.
Mit seinen pädagogischen, sozialen, kulturellen, politischen und therapeutischen Ausrichtungen hat es sich vorgenommen, den sonst im Theater-Phänomen als passives Wesen erscheinenden Zuschauer zu einem Hauptdarsteller der dramaturgischen Handlung (bzw. Subjekt, Schöpfer und Transformator) werden zu lassen.
- Jeder wird angeregt, über die eigene Vergangenheit nachzudenken, die eigene gegenwärtige Wirklichkeit zu transformieren und die persönliche Zukunft selbst zu erschaffen.
- Das einzelne Individuum wird sich in der jeweiligen künstlerischen, sozialen oder politischen Anwendung allmählich Bedingungen schaffen, in denen es sich Selbst erkennt und als ein Subjekt der eigenen Lebensgeschichte versteht.
Celso Willusa (linkes Foto) wird Forumtheater-Werkstätten mit Flüchtlingen und Heimischen organisieren und leiten, wo Übungen, Spiele und Theatertechniken aus der Methode des von Augusto Boal geschaffenen Theaters der Unterdrückten angewandt werden.
- Die Teilnehmer*innen einer Werkstatt werden gemeinsam ein Forumtheater-Stück erarbeiten, das sich auf einige Situationen von Unterdrückung gründet, die sie selbst erlebt haben oder bei denen sie Zeuge waren.

- Dieses Forum-Stück sollte, öffentlich zur Aufführung gebracht werden. Dann kann das Publikum in den Lauf der Geschichte eingreifen, denn beim Forumtheater ist das eben so üblich: Sie wohnen einer Aufführung bei und am Ende können Sie auf die Bühne kommen und in die Geschichte intervenieren, um zu versuchen, die bestehenden Konflikte zu lösen…

„Jeder stellt etwas dar, agiert, interpretiert.
Wir sind alle Schauspieler – sogar die Schauspieler“. (Augusto Boal)
Unsere Position
Theater ist Gemeinschaft, bedeutet Teil einer Gruppe zu sein, die etwas hervorbringt, etwas aufbaut und dabei der Gesellschaft Umwandlungen vorschlägt. Theater ist auch ein Aktionsraum, ist Austausch von Wissen, ist szenische Erfahrung und damit ein besonderer Raum für Schöpfung und Ausdruck.
- Diese Werkstatt will Theater als ein Instrument der persönlichen und sozialen Transformation erfahrbar machen.
Allgemeine Zielsetzungen
- Mit Hilfe von Spielen und Theater-Techniken soll es den TeilnehmerInnen erleichtert werden, mit der Bühnenkunst in Kontakt zu treten.
- Eine Theatergruppe soll gebildet und organisiert werden.
- Es soll Kreativität gefördert werden, kritischer und ästhetischer Sinn geschult bzw. gebildet werden.
- Die demokratische Identifikation und der Gemeinsinn sollen in das Bewusstsein gebracht werden.
- Es soll die Methode des Theaters der Unterdrückten von Augusto Boal verbreitet werden.
Spezifische Zielsetzung
Es soll pro Werkstatt jeweils ein Forumtheater zur Aufführung gebracht werden, dessen Handlung auf realen Ereignissen beruht. Darin geraten die Unterdrückten und Unterdrücker eindeutig und objektiv betrachtet in einen Konflikt, indem sie ihre gegensätzlichen Interessen verteidigen. In diesem, von den TeilnehmerInnen des Workshops szenisch dargestellten Konflikt beugt sich der bzw. die Unterdrückte dem bzw. der UnterdrückerIn.
Dann wird jemand aus dem Publikum (von dem Workshop-Leiter) aufgefordert, auf die Bühne zu treten, um eine andere Lösung in dem inszenierten Problem zu finden.
Methodologie
- Die Entwicklung der Methoden von Augusto Boal und Anwendung von Celso Willusa
- Integrative Gruppenübungen und –spiele
- Körperlicher und stimmlicher Ausdruck
- Improvisation
- Interprätation
- Dramaturgie
(Foto : Augusto Boal im Centro Cultural Usina do Gasômetro, Porto Alegre, Brasilien, 1999)
Arbeitsphasen
Entstehungsprozess des Stückes im Forumtheater:
- Integrationsspiele / Entdecken der gemeinsamen Motivation
- Wahl des Themas und der Geschichte / Improvisation
- Wahl des Themas und der Geschichte / Improvisation
- Organisation der Dramaturgie / gemeinschaftliche Redaktion (Erstellen) des Textes
- Organisation der Dramaturgie / gemeinschaftliche Redaktion (Erstellen und Verfeinern) des Textes
- Gedächtnistraining / Probentechniken/ Plakatentwurf
- Forum-Proben / Probentechniken
- Forum-Proben / Bühnenbild
- Forum-Proben / Bühnenbild
- Generalprobe / Aufführung

Die Forumtheater-Werkstatt ist …
- …eine reale pädagogische Innovation.
- Sie ist keine Methode oder Technik an sich, sondern eine Handlungsmodalität, eine Art und Weise zu Handeln.
- Die „Werkstatt“ ist nicht nur ein Ort, um etwas tun zu lernen. Es geht vor allem um das Denken und das Fühlen, um den Austausch von Ideen, die Problemfindung, um das Spiel und die Recherchen, die Lösungsfindung und um die Zusammenarbeit.
- Die genaue Untersuchung der Umstände, Handlungsbereitschaft und Reflektion sollen durch die Werkstatt gefördert werden. Sie soll helfen, die individuelle Arbeit mit der gemeinschaftlichen Zielsetzung zu verbinden.
- Eine Werkstatt sollte immer die Einheit zwischen Theorie und Praxis garantieren.
- Sie sieht die gemeinsame Realisation von Projekten vor(aus).
Wir wollen das Forumtheater in Deutschland als Mittel der gesellschaftlichen Integration von Flüchtlingen einführen. Es soll außerdem als Grundlage für eine Öffentlichkeit der Flüchtlinge und HelferInnen in den Social Media genutzt werden.
Wir freuen uns über Ihr Interesse!
(Foto oben: Celso und Veronika Willusa)
[1] Ü: Die Welt wird kürzer, die Zeit verdünnt sich; gestern wird heute; schon ist es vorüber. Alles sehr schnell. Debattieren was und wie etwas gesagt und gezeigt wird, das erscheint mir, immer mehr von Bedeutung zu sein.
[2] Foto links: Paulo Freire und Augusto Boal auf dem internationalen Kongress der PTO (Pedagogy and Theater of Opressed) in Omaha, Nebraska 1995
[3] Wegen der besonderen Situation der Flüchtlinge wird uns erst die Erfahrung zeigen, wie oft und wie lange jeweils die Proben angemessener Weise sein sollten.
[4] Sehen Sie z.B. auf folgenden Internet-Seiten Informationen zu weltweit stattfindenden Workshops zum Theater der Unterdrückten: http://ptoweb.org/, http://www.theatreoftheoppressed.org, https://en.wikipedia.org/wiki/Theatre_of_the_Oppressed